Allgemein ist es sinnvoll Phänomene, die wir versuchen zu untersuchen und zu verstehen, zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist auch didaktisch sinnvoll und in der Regel hilft es der der Lehrpraxis. An einem gewissen Punkt kann jedoch die Aufspaltung eines Phänomens oder Prozesses in seine Unterkomponenten, einem tieferen Verständnis im Wege stehen. Dies ist genau das Problem, dass wir im Hinblick auf die Empathie haben.
Während Empathie ein Oberbegriff ist, der viele verschiedene Formen von Verhalten und mentalen Zuständen umfasst, ist es intuitiv gesehen nicht sinnvoll zwischen zwei Haupttypen von Empathie zu unterscheiden: emotionaler Empathie und kognitiver Empathie. Diese beiden Formen der Empathie entsprechen der klassischen psychologischen Dichotomie zwischen dem Typ-1- und Typ-2-Prozess, wobei der Typ-1-Prozess vielmehr automatisch, präreflexiv, Stimulus-getrieben und unflexibel ist, und der Typ-2-Prozess eher aufwendig, langsam, bedächtig, aber flexibel ist.
Ein klassisches Beispiel für emotionale Empathie ist der Fall von emotionaler 'Ansteckung'. Emotionen verbreiten sich hierbei zwischen interagierenden Menschen ziemlich genau wie Viren in einer vor-reflektierenden, halbautomatischen Form. Andererseits, erfordert kognitive Empathie einen viel aufwendigeren Prozess des "Sehens" der Dinge aus der Perspektive einer anderen Person, die Annahme der Sicht einer anderen Person, und das Verstehen der Motive anderer, um wie jemand anderes zu fühlen und denken zu können.
Diese zwei Arten von Empathie wurden in der psychologischen Literatur oft beschrieben und haben auch eine Reihe von aktuellen neuropsychologischen Untersuchungen inspiriert. Die Neurowissenschaften der Empathie scheinen auf den ersten Blick mit der psychologischen Unterscheidung zwischen emotionaler und kognitiver Empathie übereinzustimmen. Und tatsächlich, Literaturübersichtsstudien der Neurowissenschaften der Empathie zeigen weitgehend getrennte neuronale Systeme, die mit emotionaler und kognitiver Empathie verbunden zu sein scheinen.
Dennoch ist diese Dichotomie in der Psychologie und den Neurowissenschaften wahrscheinlich nur eine Illusion. Unsere scheinbar rationalen und kontrollierten empathischen und prosozialen Entscheidungen werden wahrscheinlich auch durch präreflexive eher automatische emotionale Prozesse beeinflusst. Andererseits, sind präreflexive Emotionen wahrscheinlich kontinuierlich in Schach gehalten von kognitiven Kontrollmechanismen, die in der Regel für die kognitive Empathie verwendet werden. Mit anderen Worten ist die Dichotomie zwischen Typ 1 und Typ 2 psychologischen Prozessen in der Empathie wahrscheinlich besser erfasst mit der Beschreibung einer kontinuierlichen Interaktionen zwischen einem von bottom up entsprechendem (in etwa emotionales Einfühlungsvermögen) und einer von top down entsprechendem (in etwa kognitive Empathie) Verarbeitungsstrom.
Diese kontinuierlichen Interaktionen zwischen bottom up und top down empathischen Prozessen sind erforderlich durch die kontinuierliche Interaktion zwischen den scheinbar getrennten neuronalen Systemen für die emotionale und kognitive Empathie. Diese neuronalen Systeme sind in der Tat stark miteinander verbunden, denn selbst wenn wir uns in Situationen befinden, die scheinbar nur für eine der Formen von Empathie fragen, werden trotzdem kontinuierliche Interaktionen zwischen neuronalen Systemen für beide Arten von Empathie - durch Gehirnverbindungen vermittelt - ins Spiel gerufen, um emotionale und kognitive Fähigkeiten zu aktivieren um mit Anderen mit zu fühlen.